Sei doch mal still – Wie du Stille zu genießen lernst
… das Beitragsbild ist natürlich nicht ernst gemeint. “Sei doch mal still” – im positiven Sinne!
Stille wird im Alltag oft übertönt.
So beginnt die Einleitung zur Blogparade “Stille, die der Mensch ist” von Meike und Nicolai.
Wenn auch du dich auf deinem Blog zu dem Thema äußern möchtest, bist du herzlich eingeladen, an der Parade teilzunehmen! Ende: 06.11.2016.
________________________________________________________________
Ich glaube, Stille schreckt uns Menschen grundsätzlich erstmal ab.
Still zu sein, nichts zu tun, nichts zu sagen, zu denken; bedeutet nämlich oft, dass wir uns mit unserem Selbst auseinandersetzen müssen.
Wird es von außen still, dreht unser Unterbewusstsein erst richtig auf und mahnt, zetert, schreit uns Dinge zu, die wir eigentlich nicht hören und lieber verdrängen wollen.
Wir sind ständig beschäftigt, halten nie die Hände still und unsere Gedanken drehen sich um zehn Dinge gleichzeitig – immer.
Bloß keine ruhige Minute mit unseren Gedanken zulassen!
… das ist zumindest meine persönliche Erfahrung.
Man kommt auf die unmöglichsten Verdrängungs-Taktiken.
Oft ertappe ich mich dabei, während ich an meinem Arbeitsplatz sitze und Routine-Tätigkeiten erledige: Meine Gedanken widmen sich nicht etwa der vor mir liegenden Arbeit, nein. Am liebsten singen sie. Wiederholen ein und dieselbe Song-Zeile.
Es sind unterschiedliche Songs, aber immer dieselben Zeilen. Stichwort: Schallplatte mit Sprung.
(Derzeit höre ich vermehrt koreanische Girl Groups und mein Kopf spielt deshalb K-Pop-Lyrics nach… was manchmal sehr eigentartig ist…)
Hast du jetzt auch Homer Simpson mit dem musizierenden Affen im Kopf vor Augen?
Warum ist das so?
Liegt es an der Arbeit, die meine Gedanken so dermaßen abschweifen lässt?
Mit Sicherheit.
Das Haupt-Problem ist eher, dass ich meine Gedanken irgendwie ablenken muss, um nicht über die wirklich wichtigen Dinge nachzudenken (= worüber ich im nächsten ZENtreasures-Blogpost schreibe oder welche Plugins das derzeitge Auftrags-Design noch benötigt). Denn das würde mich vollkommen von meiner eigentlichen Arbeit ablenken. (Glaub mir, ich fühle mich wirklich schlecht deswegen!)
Der Punkt ist, meine Gedanken kreisen immer um irgendetwas.
Ein Mal still sein; ruhig; an nichts denken?
Schwierig.
Aber genau das sollte ich – sollten wir – öfter mal versuchen!
Lass uns also ein wenig in der Vergangenheit zurückgehen; zu meiner ersten bewussten Erfahrung mit Stille.
Momente der Stille
November 2010
Es ist 9 Uhr – ich springe mies gelaunt aus dem Reisebus.
Orangensaft und gebratener Speck zum Frühstück ist zwar eine eine Kombi, die immer geht – in meinen Augen zumindest – aber dennoch bin ich angespannt: die vielen Leute (von denen ich niemanden mag), das frühe Aufstehen (es ist schließlich Urlaub!) und ja, ordentlich Hunger habe ich halt doch.
Unser Ziel: einige der bekanntesten Sehenswürdigkeiten Kyotos.
Wir beginnen mit 龍安寺, dem Ryoanji-Tempel, der, wie unser Reiseleiter uns erzählt, tagsüber so überlaufen ist, dass uns gar nichts anderes übrigbleibt, als jetzt schon dort aufzuschlagen.
Ich bin drei Tage in Kyoto und habe bereits einiges an Tempeln gesehen. Ehrlichgesagt – hast du einen gesehen, hast du alle gesehen. Dass Japan mich später so fesseln würde; dass ich es so vermissen könnte, ahne ich in dem Moment nicht.
Doch schon als wir hintereinander den Weg Richtung Tempel entlang marschieren, macht sich Vorfreude breit.
Das Land-Kind in mir jubelt: Der Boden ist übersät von Moos, die Bäume geschmückt in schönstem Herbstlaub; grün trifft rot trifft gelb.
Überall verwinkelte Wege, Abzweigungen, Brücken und Steinsäulen. Und es ist so still.
Im Tempel ist unsere Gruppe bisher der einzige Besucher.
Während ich ohne Schuhe in meiner grauen Leoparden-Strumpfhose über das glatte Dielenholz tappe, hat das Desinteresse in Begeisterung umgeschlagen. Ich kann es kaum fassen: ich bin in einem japanischen Tempel, einem ECHTEN japanischen Tempel!
Müdigkeit? Hunger? Jegliche negativen Gedanken? Weggewischt.
Ich nehme Platz auf einer Art Holzbalkon; die Füße unter die Oberschenkel gepackt. Den Lotus-Sitz, den einige andere nun einnehmen, kann ich noch nicht.
Von meinem Platz auf den Dielen kann ich den ganzen Zen-Garten überblicken. Und es ist so still!
Der “Hojo-Teien” genannte Steingarten ist das, was du vielleicht von diesen Mini-Zen-Gärten kennst.
Akkurat geharkte Furchen im Sand, die Wellen darstellen sollen, wie man mir erklärte. Wellen ohne Anfang und Ende, gleich dem ‘Fluss des Lebens’.
Der Betrachter soll dadurch eins mit der Natur werden und zur Ruhe kommen. Aus diesem Grund sind Zen-Gärten auch so beliebte Meditations-Orte.
Ryoanji bedeutet ‘Tempel des zur Ruhe gekommenen Drachen’, wird mir erklärt. Mittlerweile verstehe ich vollkommen, wieso das so ist.
Ich sitze sicher eine halbe Stunde da und starre einfach nur. Irgendwann kommt mir der Gedanke, dass ich jetzt gerne gewusst hätte, wie man meditiert. Bis heute war das übrigens der ausschlaggebende Grund, überhaupt mit Meditation und Achtsamkeit anzufangen – wirklich wahrgenommen habe ich das allerdings erst vier Jahre später.
Danach fühle ich mich seltsam. Der Rückweg verläuft größtenteils schweigend – und wir sind 15 Leute, die gerade nicht reden möchten.
Der übrige Tag ist wie der Blick in eine Milchglasscheibe. Vage. Gäbe es keine Fotos, hätte ich ihn wohl ganz vergessen.
Es gibt nichts mehr, was so herausstach wie diese 30 Minuten Stille.
Damals habe ich noch nicht verstanden, was die Stille des Ryoanji mit mir gemacht hat…
Öffnungszeiten: 8:00 Uhr bis 17:00 Uhr (März bis November)
8:30 Uhr bis 16:30 (Dezember bis Februar)
Eintritt: 500 Yen
Ganz in der Nähe befindet sich übrigens der Kinkakuji, der Goldene Pavillion (Distanz 5 Minuten mit dem Bus; ca. 20 – 25 Minuten zu Fuß).
Mit mir allein sein: Kann ich Stille akzeptieren lernen?
Stille macht mich wahnsinnig Aber sie entspannt mich gleichzeitig.
Wenn ich alleine zuhause bin, drehe ich immer Musik auf. Oder fahre direkt einkaufen oder die Eltern besuchen, nur um nicht mit mir alleine zu sein… you get the idea.
Andererseits bin ich gerne alleine. Sehr gerne.
Vorallem, wenn ich mich kreativ betätige.
Wenn du dich selbst gerne kreativ betätigst und/oder sowieso eine introvertierte Person bist, wirst du mir das nachfühlen können.
Kannst du Stille akzeptieren lernen? Ich sage: Ja!
Stille hat zwei meiner Meinung nach Seiten:
Die, in der du dich unwohl fühlst.
Und die, die du genießt.
Stille genießen lernen
Ich habe es vorhin schon angesprochen: Stille kann manchmal ganz schön einschüchternd sein.
Vorallem, wenn gerade niemand da ist für ein Gespräch – das findet zu gerne im eigenen Kopf statt.
Ist man alleine mit seinen Gedanken, schweifen die zu gerne in unangenehme Richtungen ab.
Ich sage: Hör hin!
Wenn wir uns gedanklich mit den Dingen auseinandersetzen, die uns “eigentlich nicht” beschäftigen, werden wir auf kurz oder lang unsere Antwort bekommen.
Sei ehrlich – wie oft denkst du “Eigentlich habe ich darauf gar keinen Bock”, sagst aber “Ja, klar komme ich vorbei!”?
Oder: “Diese Ausbildung ist die bestimmt die beste Option.”, denkst aber “… eigentlich wäre ich doch so gerne…”
“Es geht mir gut!”, rufst du aus, meinst aber in Gedanken “da wäre noch dieses und jenes und…”.
Verstehst du, was ich meine?
Stille; sich mit seinen Gedanken auseinander zu setzen, legt deine wahren Gefühle frei. Die, die du nicht gerne aussprichst.
Oder denen du dir noch nicht sicher bis. Eigentlich.
Runterkommen – Stress reduzieren
Last but not least: Indem du nichts tust, nichts redest, nichts denkst, entspannst du.
In unserer Gesellschaft ist “busy sein” und “Workaholic” schon so im Trend, dass wir alle total vergessen, wie schön es ist, einfach mal zu relaxen.
Meditation
Meditieren ist eine hervorragende Möglichkeit, um Runterzukommen.
Ich empfehle hier wiedereinmal Jason Stephenson bei Youtube oder die App 7Mind, die besonders auf Anfänger zugeschnitten ist.
Breathe in, breathe out
Das Meditieren und ich – wir sind noch keine richtigen Freunde. Haben uns oft getroffen, aber der Funke will noch nicht überspringen.
Deshalb arbeite ich gerne mit Atemübungen, vorallem während meiner Morgenroutine.
Bequem hingesetzt, Augen zu und einfach atmen.
Um mich nicht von meinen Gedanken ablenken zu lassen, denke ich jeden Atemzug mit.
“Ein” denken und einatmen – “aus” und ausatmen.
Wenn ich besonders unter Strom stehe, stelle ich mir während der Atemübungen gerne einen Strauß bunter Luftballons vor. An jedem der Ballons hängt eine Karte auf die ich meine Gedanken gepackt habe. All diese Sorgen-Ballons schicke ich los in den Himmel und sehe zu, wie sie immer kleiner und kleiner werden. Bis sie ganz aus meinem Kopf verschwunden sind.
Das mag sich anfangs komisch anfühlen, aber es funktioniert!
Rausgehen!
Frische Lust reduziert Stress nachweislich.
Geh also einfach mal raus; spazieren.
Geh alleine, ohne Musik oder ein Hörbuch im Ohr, ohne das Handy in der Hand.
Versuch, dich nur auf deine Umgebung zu konzentrieren.
Du brauchst dazu nicht unbedingt einen Waldspaziergang. Selbst eine Runde um den Block kann Wunder wirken!
Probier es einmal aus!
Wie empfindest du Stille? Genießt du sie oder macht sie dich unruhig?
Teil gerne deine Gedanken dazu!
Doris Pia says
Hallo Chrissi!
Ich bin natürlich gleich auf deine Seite, nachdem du bei mir kommentiert hast, um zu sehen, wer da so g’scheit ist! Spitzenmäßiger Blog und vor allem super Inspirationen! Danke dir dafür. Mit diesem Artikel hast du bei mir zugegebener Maßen voll ins Schwarze getroffen. Du schreibst z.B: “Stille hat zwei meiner Meinung nach Seiten:
Die, in der du dich unwohl fühlst.
Und die, die du genießt.” Und das ist in der Tat so. Ich lerne immer wieder, wie mir die Stille hilft, Antworten zu bekommen und genau hinzusehen. Themen anzuschauen, von denen ich mich lieber ablenken würde… Das ist etwas einfaches, das doch manchmal gar nicht so leicht umzusetzen ist. (Falls irgendein Klient von mir das jetzt liest: Ja, du hast mich erwischt 😀 😀 )
Von Herzen alles Liebe,
Doris
Chrissi says
“So g’scheit” – damit hast mich jetzt ordentlich zum Grinsen gebracht, Doris!
Ganz herzlichen Dank für deinen Kommentar, das geht runter wie Öl!
Ich finde es super interessant, dass du so gut nachvollziehen kannst, wie ich das Thema Stille empfinde.
“Das ist etwas einfaches, das doch manchmal gar nicht so leicht umzusetzen ist.” Damit hast du zu 100% recht!
… und ich verrat’s keinem deiner Klienten 😉
Danke nochmal – und liebe Grüße!
Jolly says
Interessantes Thema. Ich glaube das hatten wir auch schonmal, dass immer der Fernseher laufen muss, damit es nicht so ruhig ist. Kenne ich und mache ich auch, vorallem wenn es dunkel ist und ich mich in meiner Umgebung nicht wohl oder sicher fühle.
Ich wollte gerade schreiben, wie selten es vorkommt, dass bei mir wirklich alles still ist. Aber ich sitze jetzt hier vor dem PC, schreibe und habe die Kopfhörer auf – einfach aus gewohnheit, ohne das irgendetwas darüber läuft xD Also doch, das kommt schon einige Male vor xD
Zu den schweifenden Gedanken – immer wenn ich eine Hypnose versuche oder einfach nur versuche zu meditieren (oder ruhig zu sein, wir sind nämlich auch noch keine Freunde) störe ich mich extrem an den Gedanken. Es kommt das Gefühl auf, dass sie nicht da sein dürfen. Doch beim Verdrängen wird das sowieso nur schlimmer. Da stimme ich dir in dem einen Punkt zu und der Satz hat es voll getroffen:
“Wenn wir uns gedanklich mit den Dingen auseinandersetzen, die uns „eigentlich nicht“ beschäftigen, werden wir auf kurz oder lang unsere Antwort bekommen.”
Einfach mal akzeptieren, was durch den Kopf geht und sich alles mal anhören. Danach werden die Gedanken automatisch leiser, denn die Punkte kann man schneller abhaken, als wenn man alles versucht zu verdrängen 😉
Chrissi says
Na das passt ja! Scheinbar ist es bei uns öfter still, als wir wahrhaben wollen.
Hypnose interessiert mich schon länger, aber bisher habe ich mich noch nicht ran gewagt.
Vielleicht magst du auf deinem Blog mal mehr darüber berichten? 🙂
Was die Gedanken, die “nicht da sein sollen” betrifft:
Ich denke mittlerweile, dass es darum beim Meditieren geht: Die Gedanken zulassen, akzeptieren und sie ziehen lassen.
Anfangs dachte ich, man dürfe nicht denken und wurde dadurch ganz verkrampft, weil ich ständig dachte “bloß nichts denken, nichts denken, nichts denken!”.
Du schreibst ja selbst, dass wir einfach mal akzeptieren müssen, dass Gedanken durch unseren Kopf ziehen. Und das geht! Mir gelingt es wirklich immer öfter.