Der heutige Beitrag ist etwas anders als du es sonst von mir kennst.
Immer wieder werde ich gefragt, warum ich die Berge eigentlich so liebe.
Deshalb erzähle ich heute ein wenig aus meiner Kindheit – und stelle dir die Biographie eines Südtirolers, den ich ganz besonders schätze, vor.
Die Blogparade #meinBergbuch von Himmel die Berge hat den perfekten Anlass gegeben, über dieses Herzensthema zu sprechen. Eben ganz #meinBergbuch.
Woher meine Liebe zu den Bergen kommt
Klein-Chrissi war schon mit 5 Jahren dafür bekannt, die Berge rauf und runter zu laufen.
Als Bauernhof-Kind war ich jedes Jahr auf der Alm, um unsere Jungrinder zur “Sommerfrische” bringen. Immer lief ich den Anderen voraus, kraxelte überall herum und verbrachte später sogar meine Ferien auf einer Alm.
… Letzteres war allerdings eine einmalige Sache. In meiner Fantasie sah ich mich jeden Tag in der Sonne liegen und bräunen und ein Buch nach dem Anderen lesen.
Die Realität sah etwas anders aus: Um 5:30 Uhr aufstehen, Stall vorbereiten, Rinder suchen gehen und auf Vollständigkeit durchzählen, den ganzen Tag Wanderer bedienen, nachmittags wieder Rinder zählen, Stallarbeit – und abends um 10 halbtot ins Bett fallen. Braungebrannt war ich nach diesen zwei Wochen allerdings wirklich. 🙂
Mein Papa erzählt noch heute ganz stolz die Geschichte, wie ich – noch nicht einmal ein Schulkind – stundenlang bei der Suche nach unseren Tieren half.
Die Jungrinder waren ausgebüxt und Maria, die Sennerin der Alm, total verzweifelt deswegen. Nachdem sie den ganzen Tag erfolglos gesucht hatte und ein Gewitter nahte (und ein Gewitter in den Bergen möchtest du nicht mitmachen!), zogen sie und mein Papa nochmal los. Die Rinder sich selbst überlassen kam nicht in Frage.
Die Familie sollte in der Almhütte auf ihre Rückkehr warten. Aber ich – ich wollte mitgehen.
Und das durfte ich.
Zu dritt streiften wir durch mir völlig unbekanntes Almgebiet, abseits von Wegen, durch Wälder und Moore.
Ich erinnere mich dunkel an hüfthohes, braunes Gras mit Morastlöchern dazwischen, bei denen mein Papa mich hochnehmen musste, weil ich sonst eingesunken wäre.
Außerdem ist es in meiner Erinnerung schwülheiß, mit einem seltsamen gelblichen Licht; überall zirpte es, während der Himmel dunkelgrau wurde.
Nicht der optimalste Zeitpunkt für eine Wanderung ohne Ziel.
Drei Stunden waren wir unterwegs, bis wir die Rinder schließlich fanden; alle unversehrt.
Das Gewitter erreichte uns glücklicherweise erst auf dem Rückweg und so kamen wir völlig durchnässt wieder an der Hütte an.
Aber auch in den folgenden Jahren habe ich die Berge nie aus den Augen verloren.
Wie du vielleicht weißt, gehe ich regelmäßig wandern (momentan ist mein Instagram Account zwar voller Island-Fotos, aber normalerweise poste ich dort meine Berg-Bilder.). Ein riesen Pluspunkt ist, dass ich sehr nahe an den Alpen lebe – ich muss quasi nur umfallen, und habe schon diverse Wanderwege vor mir. (Gut, das ist eeetwas übertrieben ;-).
Für 2017 habe ich mir die bisher größte Herausforderung vorgenommen – eine Alpenüberquerung. Von Bayern über Tirol nach Italien; eine Woche lang.
Um so eine Wanderung zu packen, muss ich aber noch trainieren, was sich zuzugebenermaßen durch meine vielen Reisen verzögert.
Wenn es soweit ist, erzähle ich hier aber sicher davon. 🙂
Das Südtirol-Trauma – und was Reinhold Messner damit zu hat
Abgesehen von den Tagen in den Bergen ging mein einziger Urlaub als Kind/Jugendliche nach Südtirol. Jedes Jahr zur gleichen Zeit in den gleichen Ort; in dieselbe Unterkunft.
Mit 14 hatte ich es statt und streikte. Südtirol war blöd.
Und Reinhold Messner? Der – als gebürtiger Südtiroler – auch. Grundsätzlich.
Blöd von mir, so voreilige Schlüsse zu ziehen, immerhin war er von Klein auf ein Bergfex – wie ich.
Denn 10 Jahre später hörte ich von seinen Messner Mountain Museum Konzept. Und war Feuer und Flamme. Museen über die Berge und den Alpinismus; in alten Burgen, in Gletschern oder in Stein gehauen – das musste ich sehen!
So kam ich 2015 wieder nach Südtirol, besuchte eins seiner Museen… und war fortan sein Fan. 🙂
Ich entschuldige mich im aller Form bei allen Südtirolern – ihr habt es wunderschön und… im Sommer komme ich wieder!
Im selben Jahr habe ich Reinhold Messner dann zum ersten Mal im Rahmen seiner “Über-Leben”-Tour live gesehen.
Er redete zu schnell, wirkte irgendwie kantig und so, als würde er überall auf der Welt lieber sein als auf diesem Podest… Aber halleluja! Wie dieser Mann über Berge sprach – als seien sie eine Geliebte.
Und diese Geliebte schätzt er, ist um ihr Wohlergehen besorgt und manchmal auch ein wenig egoistisch ihr gegenüber.
#meinBergbuch:
Reinhold Messner – Mein Leben am Limit
Untertitel: Eine Autobiographie in Gesprächen mit Thomas Hüetlin
Erschienen 2004 im Piper Verlag. Neuauflage 2014.
ISBN 978-3-492-24535-7
Bei Amazon kaufen: Taschenbuchausgabe* kindle ebook*
PS: Ich freue mich, wenn du mich über die Affiliate Links hier unterstützt (das gibt keine Extrakosten für dich) – aber noch mehr freut sich dein lokaler Buchhändler, bei dem du das Buch mit Sicherheit auch kaufen oder zumindest bestellen kannst. 🙂
Über das Buch
23 Stunden sind Journalist Thomas Hüetlin und sein Interviewpartner Reinhold Messner angeblich zusammengesessen. 23 Stunden, in denen fast 60 Jahre eines Lebens abgehandelt werden. Eine Biographie in Dialog-Form – kann das funktionieren?
Ich bin normalerweise kein Fan davon, aber gerade durch den Dialog liest es sich auch an den unangenehmen Stellen relativ leicht und ich fühlte mich durchweg unterhalten.
Kurze Abschnitte erzählt Messner in der Ich-Form.
Thomas Hüetlin stellt kluge Fragen; hinterfragt und bringt schonungslos auf den Punkt.
Messners Antworten fallen dadurch manchmal etwas schroff aus – aber das ist einfach seine Art.
Und darum geht es in “Mein Leben am Limit”
Um Messners Leben.
Von seiner Kindheit über erste Klettertouren mit dem Vater, den Brüdern; Höhentouren in den Himalaya, und unzählige Rekorde und Erstbesteigungen.
Ungeschönt wird auch die Geschichte um den Tod seines jüngeren Bruders Günther besprochen – nach 40 Jahren ist das noch immer ein kontroverses Thema. (Viele – auch damalige Weg- und Wandergefährten, unterstellen Reinhold, dass er seinen Bruder aus Geltungssucht am Nanga Parbat zurückließ, wo dieser dann umkam. Ich persönlich glaube ihm, dass das nicht der Hintergrund war.)
Selbst als Dialog sind seine Erinnerungen an diese extreme Zeit absolut mitreißend. Mich fror es quasi instinktiv, obwohl ich beim Lesen in der Sonne saß…
Doch – so banal es klingt – das Leben geht weiter und so erzählt Reinhold Messner auch über die Zeit danach; über Kritik an seiner Person und Rechtfertigungen; über folgende Touren, seine Zeit im EU-Parlament und neue Wege in die Wüste und in Gletscherhöhlen, und über den zweiten großen Traum – den von seinen schon angesprochenen Alpin-Museen.
Diese sind ein wahrer Schatz für Bergfreunde. Ich war damals im Messner Mountain Museum Firmian bei Bozen und völlig geplättet. Einen halben Tag verbrachte ich dort und träume mich seither immer wieder hin.
“Mein Leben am Limit” habe ich übrigens dort gekauft. Die Verkäuferin fragte, ob ich nicht ein signiertes Exemplar wollte – wollte ich! Bis heute ist es ein ganz besonderes Souvenir für mich.
Man muss Reinhold Messner nicht mögen.
Aber: Dieser Mann sprüht einfach vor Liebe und Ehrfurcht zu den Bergen, sodass mir immer wieder die Emotionen durchgehen, wenn ich ihn reden höre – oder eben lese.
Weil ich seine Ansichten absolut nachvollziehen kann.
3 Lebensweisheiten, die du von Reinhold Messner lernen kannst
Wie oft habe ich mir gesagt: Es ist genug! Trotzdem, Wochen später, wenn die Anstrengung, die Sorgen, die Schinderei vergessen waren, begann ich von einer neuen Herausforderung zu träumen; eine neue Klettertour zu planen.
Dieser Mann lebt seine Passion mit allem, was er hat.
Ich kann das nachvollziehen. Wie steht es mit dir?
Natürlich sind wir keine Kletterer (oder bist du einer? Dann hast du meinen höchten Respekt!), aber ich kenne solche Situationen. Wie oft verfluche ich Photoshop lautstark, weil mir ein Webdesign nicht so gelingen will, wie ich es mir vorstelle. Ich werde erst sauer, später beleidigt und schalte den PC schließlich drei Tage lang nicht mehr an.
Bis… die Lust zurück kommt; die Muse sich wieder zeigt. Und ich setze ich wieder ran und es läuft und ich liebe Photoshop und die ganze Welt……
Nach meinem Verständnis ähnelt Reinhold Messners Beschreibung dem, was auch Liz Gilbert in “Big Magic” thematisiert: Wir haben diese Leidenschaft in uns und sie will raus – egal, wie sehr wir uns dagegen sträuben.
Was ist deine absolute Leidenschaft? Wobei fühlst du diesen immer wiederkehrenden Ansporn?
Irgendwie hatte ich das Gefühl, ich versäume mein Leben. Indem ich mit allem guten Willen versuchte, meinen Ingenieur zu machen, zwang ich mich zu etwas, was ich nicht wollte.
Obwohl Messner die 60er Jahre beschreibt, ist dieses Thema so aktuell.
Wir würden gerne unseren Träumen folgen und doch drängen uns die Umstände so oft in ein anderes Leben. Das mag okay sein; manchmal aushaltbar – aber der Gedanke, sein Leben nicht vollständig und selbstbestimmt zu leben, bleibt.
Egal, wohin dich andere treiben, egal, was sie für Erwartungen an dich haben – am Ende wirst du dem Ruf deines Traumes hören und ihm folgen können.
Jeder hat eine Berufung. Für mich eine schöne Vorstellung!
Wann waren Sie zuletzt glücklich? – […] Glück. Ich sehne es nicht ständig herbei. Und wenn ich keins habe, schaffe ich es mir an.
Ich mag die Einstellung, die Herr Messner zu Glück hat. Er sagt nichts anderes aus, als dass wir für unser Glück selbst verantwortlich sind (auch, wenn wir uns das oft nicht zutrauen oder gar nicht vorstellen können).
Im weiteren Gespräch zählt er übrigens auf, was Glück für ihn bedeutet: Ein toller Satz, der beim Schreiben entstand. Ein Glas Wein mit guten Freunden. Spielende Kinder. Ein Waldspaziergang. Neue Ideen.
Zu vorhersehbar? Vielleicht.
Aber ich finde, alles, was glücklich macht, zählt. Egal wie unbedeutend es für jemand anderen sein mag.
Was ist Glück für dich?
Vielleicht hat dich dieser Beitrag glücklich gemacht? Mich auf jeden Fall.
Und ich hoffe, Ruth ist glücklich mit all den Einsendungen für ihre Blogparade.
PS: Apropos Blogparade: Hast du Lust bei meiner mitzumachen?
Bei mir sind es die Berge – welche Leidenschaft hast du und warum?
Ruth says
Hallo Chrissi,
vielen Dank für den tollen Beitrag! Da hast Du ja wirklich eine ganz besondere, persönliche Beziehung zu den Bergen.
Reinhold Messner, muss ich zugeben, mag ich auch nicht so besonders. Aber seine Hingabe und Leidenschaft für die Bergwelt ist schon beeindruckend. Das Museumskonzept klingt auch wirklich spannend. Sollte ich mir wohl mal ansehen!
Liebe Grüße
Ruth
Chrissi says
Liebe Ruth,
danke für deinen Kommentar!
Das kann ich schon verstehen – direkt sympathisch ist der Mann ja nicht. Aber seine Leidenschaft ist genau das, was mich fasziniert. 🙂
Die Museen kann ich dir wirklich nur wärmstens empfehlen. Wenn man ein Interesse für die Berge, deren Natur, den Alpinismus und für Architektur hat, sind sie wirklich sehenswert. Vielleicht kommst du ja mal in die Nähe von einem 😉
Liebe Grüße!